Donnerstag, 14. Februar 2008

Halbjähriges

Ich muss nun schon einen Tag vorgreifen, da ich morgen gemeinsam mit Julia mit dem Boot nach Granada fahren werde um pünktlich am Samstag dort anzukommen und in der Näher von Managua an dem Freiwilligenseminar teilzunehmen, das von Samstag bis Dienstag stattfindet...


Es ist kaum zu glauben, aber ich bin nun tatsächlich schon 6 Monate hier in Nicaragua und in dieser Zeit ist viel passiert und ich mich an ein neues Leben gewöhnen musste.
1. Mein Zuhause: Die so anderen sanitären Anlagen und das Haus waren für mich eigentlich nie ein Problem. Ich hatte mir wohl im Vorfeld noch etwas „schlimmeres“ vorgestellt und so war ich eher positiv überrascht. Klar, ich kann vollkommen verstehen, wenn jemand, der die Bilder im Blog sieht ersteinmal erschrickt. Doch wie schon öfters gesagt- man gewöhnt sich wirklich an alles. Manchmal nervt es, sich nicht unter fliessendem Wasser waschen zu können, keine richtige Toilette zu haben oder nicht barfuss gehen zu können. Doch das alles ist total in Ordnung und genauso wie das mit der Hand waschen ein Teil meines Lebens hier. Meine Gastfamilie ist nach wie vor sehr nett und ich bin Teil der Familie, was ich mir gewünscht hatte. Ein Untermieterverhältnis ist auf die Dauer einfach zu kühl und ich bin froh, dass ich das nie hatte. Von Anfang an wurde ich lieb aufgenommen und habe mich wohlgefühlt. Wenn mal wieder viele Gäste da sind, so müssen die Betten halt geteilt werden. So hatten wir es schon einmal, dass wir zu 7. in 3 Betten geschlafen haben. Tja, die Nicas- ein Haufenvolk wie manche sagen...
2. Nicaraguaner: Im Allgemeinen kann man sagen, dass die Nicaraguaner sehr tolerant sind und sich gegenüber Ausländern sehr freundlich verhalten. Die Mehrheit ist sehr interessiert an Gesprächen mit uns Cheles, wenn sich diese Gespräche auch immer ähneln: 1. wie heisst du 2. hast du einen Freund 3. wie gefällt dir San Carlos, bzw. Nicaragua usw. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sie unbedingt wollen, dass wir uns hier wohlfühlen. Wenn das nicht der Fall ist, dann ist das ganz schlimm für sie und setzen alles daran, das zu ändern. Ihre Gastfreundschaftlichkeit ist bemerkenswert und sobald man irgendwo hinkommt wird einem Essen serviert, Wasser gegeben und angeboten, sich auszuruhen. Man fühlt sich immer willkommen und das ist sehr schön. Eine weisse Frau in Nicaragua fällt leider ein wenig auf und so kann man nicht durch die Strassen gehen ohne dass einem „Chelita, chelita“ oder „Regalame tus ojos“ (schenke mir deine Augen) oder sonstige Liebesschwüre hinterhergerufen werden.
3. Essen: Ist hier wirklich sehr lecker, nur mit der Zeit ein wenig einseitig. Es gibt ausnahmslos JEDEN TAG Reis und Bohnen. Komischerweise bin ich dem Gallo Pinto noch nicht überdrüssig geworden. Mal schaun, ob das noch kommt. Ansonsten sind hier die Hauptnahrungsmittel Bananen, Kochbananen, Reis, Bohnen, Käse (der beim Kauen in den Zähnen quietscht) und Tortilla. In letzter Zeit gab es bei uns sogar mal Spaghetti  Ich war ganz glücklich, denn davor hatte immer nur der Hund Nudeln bekommen *g* Die Nicas essen natürlich auch Sachen wie Nudeln MIT Reis, was mir nicht so liegt. Aber das kann man ja selbst entscheiden... Viele Gerichte werden auch mit Mais gekocht- unter anderem eines meiner Lieblingsgerichte Indio Viejo (ein Brei mit Fleisch- einfach herrlich). Ruth kocht sehr gut und wenn Carlos (der Freund meiner Gastmutter) kommt, so gibts immer was besonderes...
4. Mentalität: Unpünktlichkeit oder erst gar nicht zum Treffen auftauchen, das ist relativ normal. Soll ein Treffen um 5 Uhr stattfinden, so fängt es wenn es gut läuft eine halbe Stunde später an und auch danach tröpfeln immer wieder nach und nach Leute ein, die daran teilnehmen. Ich bin es aus Deutschland gewöhnt, dass man sich wenigstens entschuldigt, dass man sich verspätet hat. Nicht so hier. Wenn man diejenigen dann darauf anspricht, so nicken sie nur und meinen „ja, stimmt. Ich bin nicht gekommen.“ und nichts weiter. Da muss man schon manchmal den Kopf schütteln... Die Einstellung, alles lustig und locker anzugehen hat auf jeden Fall zwei Seiten. Auf der einen ist es wirklich manchmal besser, nicht so verbissen zu sein und sich Zeit zu geben. Auf der anderen Seite jedoch kommt so auch nicht viel bei den Organisationen heraus. Alles zieht sich ewig in die Länge, dabei hätte nur ein Anruf gemacht werden müssen oder ähnliches. Da kann man als Freiwilliger schon wirklich die Krise bekommen. Denn man möchte etwas schaffen oder erreichen und die Art, Dinge anzugehen, macht es einem fast unmöglich. Es ist wirklich nicht leicht zu helfen und das muss man erstmal akzeptieren.
5. Arbeit: ich bin durch das Märchenprojekt eindeutig zufriedener geworden. Denn das ist etwas handfestes, was ich betreut habe und nun fertig gedruckt ist. Wie gesagt- man kann hier schwer helfen. Aber dass ich mit diesen Kindern ein paar schöne und lustige Stunden verbracht habe, in denen sie sich ganz eindeutig amüsiert haben, das tut mir gut und ich erinnere mich wirklich sehr gerne daran zurück.
6. Reisefieber: Die Reise nach Panamá hat mir damals sehr gut getan, da ich durch die Arbeit etwas kaputt war und mal ein bisschen rauskommen musste. Es ist schwierig zu erklären, aber zeitweise kann man sich hier in San Carlos ein wenig eingesperrt fühlen. Es ist wie eine Insel, von der man nicht einfach mal eben herunter kann. Sogar von der Vulkaninseln Ometepe kommt man schneller runter und in grössere Städte... Will ich mal was ganz anderes sehen, so muss ich einen halben Tag reisen und das auch recht unbequem. Hinzu kommt, dass es in San Carlos keine Freizeitmöglichkeiten gibt. Kino, Sport usw. ist nicht. Wir haben zwar eine Turnhalle, aber die ist meist besetzt oder es ist zu heiss um Sport zu machen. Laufen gehen kann man auf der Landepiste der Flugzeuge. Doch immer um 5 aufzustehen, das schaff ich einfach nicht. Ein paar Mal war ich jetzt abends in der Tertulia im Tanzkurs. Allerdings können das schon alle und man brauchte einen Partner, der einen schult. Letztes Mal hatte ich Glück: hatte einen netten Kerl, der sogar gleichgross war wie ich und das Tanzen hat sehr Spass gemacht. Wer hätte das gedacht- ich nochmal in einem Tanzkurs. Ich jedenfalls nicht... So, nun aber noch einmal zu Panamá: Dorthin zu reisen alleine war schon eine Sache für sich, die ich gut fand. Ich habe auf der Reise nette Menschen kennengelernt und gemerkt, dass man einfach offen sein muss und sich auf ein Gespräch einlassen. Man spürt, was für Menschen einigermassen nett sind und so findet man irgendwie immer zueinander. Panamá Ciudad mit ihren grossen Häusern (in Nicaragua gibt es fast nur einstöckige wegen Erdbebengefahr) hat mir gut gefallen und auch die Freiheit, einfach mal in den Tag hineinzuleben. In Nicaragua zu reisen ist ebenfalls kein Problem. In den Bussen wird man angeredet, die Menschen sind hilfsbereit und zeigen gerne den Weg oder den richtigen Bus und man fühlt sich wohl. Jetzt, da ich ein so vollkommen anderes Land kennengelernt habe, ist der Wunsch, mehr kennenzulernen natürlich entstanden. Wie „wenig“ habe ich bisher schon gesehen...
7. Schlafen: Schnell habe ich mich an das sehr harte Bett gewöhnt und schlafe sehr gut. Auf die Frage, ob mein Spanisch schon sehr gut ist, kann ich immer schlecht anworten. Doch es gibt einen Beweis, dass ich voll in dieser Sprache bin: Wie einige von euch wissen erzähle ich gerne viel im Schlaf und so tue ich das auch hier in Nicaragua. Da das Haus offen ist und man immer alles hört, was so vor sich geht, hört meine Familie hier auch alles von meinem Gebrabbel. Zum ersten Mal bin ich aber froh, dass ich rede, denn Ruth berichtet mir immer wieder, dass ich spanisch rede. Und das finde ich irgendwie cool. Zeigt es doch, dass ich hier wirklich mit so viel Spanisch umgeben bin.
8. Der Gedanke an zu Hause... wächst nun natürlich, da ich nicht mehr viel Zeit in Nicaragua verbringen werde. Die letzten beiden Monate werden schnell vergehen und schwupps bin ich wieder in Erlangen und kann den Berg unsicher machen. Ich freue mich, wieder daheim zu sein und doch wird es schwer sein, sich von hier zu lösen. Hier ist mein Zuhause im Moment. Ich lebe hier und kenne die Leute. Abschiednehmen liegt mir nicht gut und doch ist es nicht mehr lange hin bis ich es muss. Als ich von Deutschland Abschied genommen habe, war das anders. Zwar habe ich dort alle Menschen, die ich liebe, aber es ist sicher, dass ich wieder zurückkehren werde. Wenn ich hier Abschied nehme, ist es ungewiss, wann ich zurückkehre oder ob ich überhaupt zurückkomme.
Aber nun sollte ich erstmal noch die 2,5 Monate vollkommen hier sein und dann glücklich wieder in meine Heimat zurÜckkehren. Glücklich, so viele tolle Erfahrungen gemacht zu haben und glücklich, wieder Daheim zu sein.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Dann mach ichs mal wie du :P
1) Nicht schlecht, ein eigener Grundstein mit PResse!
2) Danke für den vielen Text über das "normale" Leben, das ist immer am interessantesten finde ich ;)
3) Viele Grüße, Basti

Simon hat gesagt…

Hey ho -
als wir gestern in den bus um viertel nach günf gestiegen sind, warst du noch nicht am mayoreo. hast du denn die farben gefunden? die autosuche geht fröhlich weiter.
war nett, die lange unterhaltung. das wollte ich nur noch gesagt haben...
wir aus ocotal melden uns bald mal wegen der semana santa; bis dahin: mach's gut und viele grüße an julia!
der s und der j, die bärtigen

Anonym hat gesagt…

Hallo Helena!

Alles Gute nachträglich zum Geburtstag aus dem "winterlichen" Deutschland von Nici und mir! Für Morgen sind 20°C angesagt, im Februar! Da hättest Du eine Grillfeier machen können wie Dein Papa.
Du hast ja geschrieben, dass es sich gelohnt hat, diese "Reise" nach Nicaragua zu machen, und ich denke, Du hast recht: Man merkt es schon an der Art und Weise, wie sich Deine Ausdrucksweise geändert hat: Cousinchen wird erwachsen!
Die Nici läßt fragen, ob Du Deiner Gastfamilie auch schon ein paar Worte Deutsch beigebracht hast oder zumindest ein typisch deutsches Geburtstagslied, sowas wie Happy Birthday...
Übrigens hab ich das Märchenbuch schon gesehen, starke Sache!
Wir freuen uns schon auf Deine Rückkehr und die Geschichten, die Du mitbringst!

Bis bald,
Julian & Nici

Helena hat gesagt…

Vielen lieben Dank, couseng- peng für deine und nicis geburtstagswüsche! tja, einmal wo ich nicht in deutschland bin, ist schönes wetter an meinem geburtstag. naja, ich hatte hier auch super wetter :)
ich und erwachsen? nie...
Ruth, meiner Gastcousine habe ich schon einiges auf deutsch beigebracht. sie kommt ja auch im mai nach deutschland, da muss sie wenigstens hallo und so sagen können :) und lieder naja, die haben so ihre schwierigkeiten mit der aussprache mit ch und sch und s usw. und happy birthday ist meines wissens nicht typisch deutsch, oder? ;)
freut mich, dass du das märchenbuch schon gesehen hast. das märchen gefällt mir persönlich nicht so, aber die bilder umso mehr. bin schon gespannt, es zu sehen!
dir und nici die liebsten grüsse!
dein cousinchen helena