Arbeit, bzw. Arbeitslosigkeit
Die Arbeitslosigkeit ist in ganz Nicaragua ein sehr grosses Problem wie in vielen anderen Ländern auch. In Deutschland wird darüber ja auch sehr geflucht, doch kann man das bei Weitem nicht mit Nicaragua vergleichen. Hier beträgt die Arbeitslosenquote nämlich um die 80 %. Im Departemento Río San Juan, von dem San Carlos die Hauptstadt ist, sogar mehr als 85%. Man merkt das auch wirklich hier. Die Leute sitzen den ganzen Tag daheim, schauen fern oder versuchen ihr Leid in Alkohol zu ertränken. Es ist wirklich traurig, wie viele Alkoholiker es hier gibt. Gerade um die Feiertage ist es ganz besonders schlimm. An den Morgen danach trifft man immer einige immer noch Sturzbetrunkene auf der Strasse. Jetzt fragt man sich vielleicht, wo sie das viele Geld für den Alkohol bekommen, wenn viele doch gar nicht arbeiten. Rum ist hier allgemein sehr billig, es gibt jedoch preisliche Unterschiede die von der Qualität abhängen. Flor de Caña, der beste, kostet ca. 100 Córdoba (5$), Plata- mittelmässig- so um die 50 Córdoba und Caballitos nur 10 Córdoba, was umgerechnet 0,50$ sind. Diesen letzteren kaufen sie sich natürlich und man hört immer wieder, dass jemand an diesem Zeugs gestorben ist- von so schlechter Qualität ist er… nunja, also zurück zur Arbeitslosigkeit. Ich denke, dass auch sehr viele Frauen nicht arbeiten gehen, da hier immer noch sehr der Machismo herrscht. Frauen haben zu Hause zu bleiben, zu kochen, zu bügeln, zu waschen und sich um die Kinder zu kümmern. Von klein auf wird den Mädchen gesagt, dass sie mithelfen müssen, während deren Brüder sich bedienen lassen und echt Männer sein müssen, die niemals weinen. Es ist schon besser geworden, aber einige Frauen folgen dem Beispiel ihrer Mütter immer noch, selbst wenn sie gerne selbständig arbeiten wollen. Nun ist es hier eher eine Ausnahme, wenn eine Familie noch intakt ist und die Kinder mit beiden Elternteilen aufwachsen. Meist leben- so wie bei mir auch- die Mütter mit ihren Kindern und evtl anderen Familienmitgliedern zusammen. Hat die Frau vorher aber nur für die Familie im Haus gelebt und kein eigenes Geld verdient, so hat sie nun ein finanzielles Problem. Genau das gleiche, wenn sie nicht mal mehr eine Ausbildung hat, da sie mit 14 schwanger wurde und dann gleich mehrere Kinder bekam. Harz IV gibt es hier natürlich nicht. Der Staat gibt den Arbeitslosen hier gar nichts. Jeder ist auf sich alleine gestellt. Nur ist man hier in einer so grossen Familiengemeinschaft nie alleine. Jeder hilft dem anderen und das finde ich schon eine sehr schöne Sache, auch wenn es finanziell sehr schwierig ist. Genauso wenig wie Arbeitslosengeld gibt es eine Rente. Die Älteren werden also ganz direkt von ihren Kindern versorgt. So ist das auch in meiner Familie. Die Jüngste meiner Oma (es gibt 10!) ist in ihrem ersten Jahr der Uni schwanger geworden und hat das Studium ganz abgebrochen. Seitdem lebt sie mit ihrem Sohn auf Kosten aller anderen. Das ist aber kein Problem oder schlecht angesehen. Man hilft sich halt. Das ist doch ganz normal… Im gleichen Haus lebt auch meine Gastoma und alle ihre Kinder legen monatlich zusammen und so kann sie gut leben. Ruth ist ja nun mit ihrer Schule seit Dezember fertig und würde gerne eine Art Job machen um sich nicht so zu langweilen. Das ist aber alles andere als leicht in Nicaragua. Bei uns kann man sich bei SIEMENS bewerben, im Café als Kellner arbeiten oder ein Praktikum machen. Das fällt hier natÜrlich alles flach. Man kann evtl in einer Venta oder Pulperia Essen oder Hefte verkaufen, das war es dann aber auch. Oder man ist Hausmädchen bei anderen Leuten und kümmert sich neben Kochen und Waschen um die Kinder. Da sieht man es mal wieder, wie gut wir es doch haben, in einem so entwickelten Land zu leben, oder? Aber gleichzeitig stimmt es auch, was die Leute hier sagen und was ich auch im Moment immer wieder in der Biographie von Dalai Lama lese: Wir leben in Luxus, aber doch recht isoliert voneinander. Natürlich hängt das vom Wohnort ab, aber wie viel wissen wir schon von unseren Nachbarn? Hier lebt man nebeneinander, muss wohl oder übel die laute Musik des Anderen mit anhören, man hilft sich gegenseitig. Und diese Nachbars- und Familienzusammengehörigkeit finde ich schon wirklich sehr bemerkenswert. Und alleine materielles Glück macht uns noch lange nicht auf Dauer glücklich …
2 Kommentare:
Hey Helena,
in Nepal ist die Situation ähnlich gewese. Die armen Länder haben doch immer viele Sachen gemeinsam.
Alles gute für die verbleibende Zeit.
Lieben Gruß
Astrid
Es ist schon erstaunlich, wie unterschiedlich Menschen leben. Und was die einen glauben, besitzen zu müssen, wovon die anderen noch nicht mal träumen. Wenn man halt ne Mitte finden könnte..
Liebe Grüße, Vroni
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